Die Frage muss eher lauten welches Schutzniveau können und wollen wir uns leisten?

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  • In vielen Beiträgen wird hier diskutiert wie man die Feuerwehr in Deutschland stärken kann; Zusammenlegungen von Feuerwehren oder z.B. Hauptamtliche Lösungen.


    Ich möchte eher die Frage in den Raum stellen; Welches Schutzniveau wir uns leisten können und wollen?


    Es gilt als anerkannter Stand der Technik, dass ein ehrenamtliches besetztes Löschfahrzeug mit neun Funktion in 90% der Fälle nach 10 Minuten am Einsatzort sein soll, um noch eine sinnvolle Personenrettung bei einem kritischen Wohnungsbrand durchführen zu können (1. Schutzziel). Da steht für mich Frage im Raum, ob dies heutzutage noch ehrenamtlich leistbar und sinnvoll ist.


    Gerade im ländlichen Bereichen mit langen Anfahrtszeiten sind aufgrund dieses Schutzzieles viele Freiwillige Feuerwehren, egal welcher Ausprägung, unverzichtbar. Bleibt die Frage, ob dies sinnvoll ist?


    Im Zweifel unterhalten Kommunen eine Feuerwehr am Leben, um dieses Ziel zumindest teilweise zu halten. Grobe Schätzung was eine Grundausstattungsfeuerwehre in 50 Jahren an Kosten verursacht: 1,5 Millionen Gerätehaus, 0,5 Millionen für das Einsatzfahrzeug, Schutzausrüstung und laufende Materialien 0,5 Millionen. In Summe 2,5 Millionen in 50 Jahren, dass macht pro Jahr 50.000 Euro an Kosten für die Kommune, um eine Feuerwehr zu unterhalten, die das erste Schutzziel erfüllen soll. Über die Leistungsfähigkeit dieser Feuerwehr möchte ich noch gar nicht diskutieren.


    Wir müssen uns ehrlich Fragen, ob wir als Gemeinschaft einer Kommune bereit sind entsprechenden Gelder bereit zu stellen, um uns diesen Schutz leisten zu können, letztlich werden diese Feuerwehren aus unseren Steuern finanziert. Als Alternative steht im Raum diese Gelder für andere kommunale Aufgaben zu verwenden und es in Kauf zu nehmen, dass dieses Ziel nicht gehalten werden kann und es ggf. eine schlechtere Versorgung durch die Feuerwehr gibt.


    Ich persönliche finde dies gerade in strukturschwachen Gebieten diskussionswürdig, theoretisch muss dieser Schutz für jeden Einwohner einer Kommune gleichermaßen gelten. Allerdings steht hier die Frage der Verhältnismäßigkeit im Raum. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir es uns durchaus leisten können die Schutzziele in strukturschwachen Gebieten deutlich zu verändern. Vielleicht müssen wir als Bürger einfach damit leben, dass die Versorgung nicht überall gleich ist.

  • Ich denke nicht dass in einem Emergency Forum solche hochkomplexen Themen wirklich gelöst werden können. Zudem ist auch eine Diskussion eher schwierig da es viele unterschiedliche Backrounds und Wissensstände gibt. Man sollte jedoch zu bedenken geben: das Schutzziel heißt vorallem in den Bauordnungen der Länder „die Feuerwehr“. Egal wie wann wo, die Feuerwehr macht das. (Sehr vereinfacht dargestellt) Und wenn dieses „die Feuerwehr“ nichtmehr existiert, zumindest in der bekannten Form, wird es mit Neubauten und auch Bestandsbauten auf dem Land eng...


    Autoren im Thread der Mod zu finden! - Es könnte sein das meine Beiträge nicht immer zu 100% stimmen. Für diese evtl. Fehler kann ich nicht haftbar gemacht werden

  • Klar ist es immernoch ehrenamtlich leistbar, anders ist die Vorschrift nicht einzuhalten.


    Ob es sinnvoll ist in jedem Dorf eine Feuerwehr zu unterhalten, selbst wenn diese nur 0-2 Einsätze im Jahr hat, kann jeder selbst entscheiden. Aber ich persönlich bin der Meinung das nicht jedes 50-500-Seelendorf eine eigene Feuerwehr braucht, wenn diese dann auch noch nur einen TSA hat und bei einem Alarm nur 0-4 Kräfte kommen und die Wehr nicht mal Atemschutz hat, trägt sie nicht zum Schutzziel bei.


    Die Kosten sind weit zu wenig gedacht, G 36-Untersuchung, Lohnausfallzahlungen, Aufwandsentschädigungen, Lehrgangskosten, Heizung und Wasser, Bekleidung, Reinigung, Versicherung...
    Da kommen deutlich höhere Preise zusammen, da kommt man wohl eher auf mindestens den doppelten Geldbetrag, je nach Einsatzzahl etc.


    Die Frage ist eher müssen wir unnötige Doppelbeschaffungen, ständige Sonderlösungen für Fahrzeuge und vorhalten mehrere Feuerwehren auf engsten Raum (wegen Gemeindegrenzen/Eigenständigkeiten...) tragen?
    Warum braucht eine Gemeinde nach 40 Jahren auf einmal ein TLF 4000, obwohl nur ein paar Kilometer weiter schon eines steht, was man alarmieren könnte.
    Warum wird nicht die nächste Feuerwehr sondern immer die örtlich zuständige Feuerwehr alarmiert? Warum darf jede Kommune machen was sie will (die einen kaufen unnötige Technik, die anderen fahren mit einem Investionsstau zum Einsatz...)
    Warum braucht plötzlich jedes Dorf eine Sonderlösung für ihre Einsatzfahrzeuge (gab es nicht früher verbreitet fast gleich ausgestattete Fahrzeuge?)? Klar gibt es ein paar Orte wo besondere Begebenheiten gegeben sind und Sonderfahrzeuge beschafft werden müssen, aber für 99% der Feuerwehren reichen Normfahrzeuge, welche deutlich günstiger sind, spezielle Sachen kann ich mit einem MZF/MTW/MTF/GW-N/GW-T/GW-L... zur Einsatzstelle bringen.


    In strukturschwachen Gegenden wird zukünftig die Hilfsfrist immer weniger gehalten werden können (weniger Mitglieder <-> weniger Einwohner <- weniger Einsätze)
    Da dort viele Wehren zukünftig zusammengelegt werden müssen oder geschlossen werden und auch dort wird es wohl nicht flächendeckende Pflichtfeuerwehren geben (keine Motivation/viele Ausschlusskriterien...)
    Ggf. werden auch die Feuerwehren in Zukunft vielleicht mit kleineren Fahrzeugen mit 1/3 Besatzung für den Erstangriff ausgestattet und die Hilfsfrist wird dann evtl. auf dieses Niveau abgesenkt, aber das wird sich zeigen
    Ist auch schlecht einzuschätzen, da es niemand weis, kann auch sein es gibt plötzlich ein Babyboom und es gibt ein Umdenken das wieder mehr Menschen auf das Land ziehen wollen, kann auch sein in Frankreich oder Belgien kommt es zum Supergau in einem AKW und der halbe Westen muss in Richtung Osten auswandern (ja ist vielleicht minimal Übertrieben dargestellt :D)...


    @Florian 11/33/1: Ist immer schwer soetwas zu diskutieren, selbst Experten können wie oben erwähnt nicht wissen wie sich alles entwickelt oder welche Lösung das Non-Plus-Ultra ist.
    Experten sind sich ja nie bei etwas einig und es wird nie die eine Lösung geben

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    MFG Maxxam

  • Ggf. werden auch die Feuerwehren in Zukunft vielleicht mit kleineren Fahrzeugen mit 1/3 Besatzung für den Erstangriff ausgestattet und die Hilfsfrist wird dann evtl. auf dieses Niveau abgesenkt, aber das wird sich zeigen

    Das personelle Niveau ist doch bei der Hilfsfrist schon in vielen Kommunen auf dem Untersten Punkt angekommen. Beim AGBF Schutzziel sind wenn man es genau nimmt in der Erstphase (nach FwDV) 12 Kräfte erforderlich und nicht 10.
    Wenn du das Schutzziel aufschlüsselst nach üblicher Weise bleibt folgendes in vielen Fällen (üblicher LZ einer BF) übrig:
    Zugführer und Melder (ELW) <-> Leitung und Koordination des Einsatzes
    Maschinist und Fahrzeugführer (DLK) <-> Menschenrettung (Alternativ mit W-Trupp Schiebleiter)
    Staffel auf einem Löschfahrzeug davon 2 Trupps unter PA, während der 2. Trupp der Sicherungstrupp ist.


    Es gibt aber genug Einsatzbeispiele (s. Feuer&Flamme in Gelsenkirchen) wo in der Erstphase ein 2. Trupp erforderlich ist. Wird dieser eingesetzt entfällt der Sicherungstrupp bzw. bei o.g. Taktik ist nicht unbedingt eine gesicherte Wasserversorgung aufgebaut. Kritische Punkte. BF die mit 12 Funktionen ausrücken haben hier mehr Möglichkeiten so kann der Ma&FzF des 2. HLF als 3. Trupp eingesetzt werden. (Alternativ TLF/Sonderfahrzeug wodurch der 3. Trupp entsteht).


    Bei meiner im anderen Beitrag geschriebenen Tagdienst-Lösung mit 1/3 (nur HLF 1/3 o. Sicherstellung das alle notwendigen Funktionen á Ma, GF, 2x AGT vorhanden sind))bzw. 1/5 (HLF 1/3 und DLK 1/1) wäre eben eine Mindestbesatzung gegeben für eine erfolgreiche Menschenrettung. Es ist doch schon beachtlich was trotz Rauchwarnmeldern immer noch für kritische Wohnungsbrände entstehen. Ein Beispiel https://feuerwehr-stuttgart.de/index.php?article_id=2116


    Ist immer schwer soetwas zu diskutieren, selbst Experten können wie oben erwähnt nicht wissen wie sich alles entwickelt oder welche Lösung das Non-Plus-Ultra ist.
    Experten sind sich ja nie bei etwas einig und es wird nie die eine Lösung geben

    Was heißt schwer? Die Experten sehen doch auch (gerade bei der Feuerwehrbedarfsplanung) das die schlechte Tagsverfügbarkeit <- vs -> steigenden Schadensereignissen irgendwann nicht mehr gelöst werden. Es ist schon wie im Eingangspost beschrieben die Frage ist berechtigt gestellt welches Schutzniveau wir uns leisten wollen?
    Ich stimme dir zu das nicht jedes Dorf ein TLF4000 braucht oder einen 2. Rettungssatz. Aber in den Städten bzw. sehr stark dichtbesiedelten Kommunen (das kann auch z.B. Schwetzingen sein wo 21.000 Menschen wohnen aber eine Bevölkerungsdichte von 1000/km² Schlage ist) sich unbedingt an einer Einwohnerzahl festzukrallen ist nicht unbedingt optimal. Da ich in BaWü lebe nehme ich gerne Villingen-Schwenningen als Beispiel. Die Stadt hat 85.000 (entspricht 518/km²) das sind 2. mittlere 30er Städte mit vielen Stadtteilen die dann in Summe was erreichen. Im Vergleich Sindelfingen hat 64.000 Einwohner (1300/km²) mit 3. Stadtteilen oder noch krasser:
    Ludwigsburg 93.000/2100km²
    Mannheim 310.000/2100km²


    Wohnen viele Menschen auf wenig Fläche heißt das eigentlich das überwiegend Wohnhäuser vorhanden sind in denen viele Parteien/Menschen wohnen. Die EFH oder paar Zweifamilienhäuser sind nicht das Maß der Dinge und selbst wenn muss man auch dort damit rechnen das dort sicherlich mal 3-5 Menschen wohnen.


    Gerade in solchen Städten kämpft man mit den gesamten Veränderungen ein weiterer Nachteil zur Hilfsfrist ist die Veränderung der Geschwindigkeit. Kommunen lieben 30 "Lärmschutz". Dann ist es auch nicht mehr selbstverständlich das jeder wo in der FF ist mit dem Auto zur Arbeit fährt.. alles Punkte die gegen ein schnelles ausrücken sprechen. Kostentreiber hin und her. Ob nun 100.000€ pro Jahr in 50 Jahren wenig oder viel Sinn ist ja unwichtig. Mir bringt das tollste HLF 20 nichts wenn keine Leute da sind. Manchmal muss man auf die Realität zurück kommen. Die Projekte in NRW mit MLF bzw. VLF waren sehr Interessant und sind in vielen Kommunen sicherlich Sinnvoller als so ein übergroßes HLF..


    Gruß

    Immer an das gute denken.. alles hat einen Sinn und ein Ende

  • Es gilt als anerkannter Stand der Technik, dass ein ehrenamtliches besetztes Löschfahrzeug mit neun Funktion in 90% der Fälle nach 10 Minuten am Einsatzort sein soll, um noch eine sinnvolle Personenrettung bei einem kritischen Wohnungsbrand durchführen zu können (1. Schutzziel). Da steht für mich Frage im Raum, ob dies heutzutage noch ehrenamtlich leistbar und sinnvoll ist.

    welcher Stand der Technik unterscheidet den zwischen Haupt und Ehrenamt? Maßgeblich ist hier dann aber noch immer die jeweiligen Landesgesetze, die sich auch nicht alle auf die AGBF Zielsetzungen beziehen.
    Und 9 Funktionen nach 10 Minuten hatten wir in der Fläche vermutlich noch nie... Fairerweise sollten wir endlich Stadt und Land teilen und verschiedene Schutzziele definieren. Auf dem Land lebt es sich schöner, dafür stirbt es sich auch schneller.


    Grundsätzlich ist ja auf dem Land schon einmal das Problem der Datenlage. Wieviele Zeitkritische Einsätze im Jahr brauchst du zur Ermittlung des Schutzziels? Und wenn du die Zahl hast, wer stört sich dann tatsächlich daran das die unter 90% liegt? Hatten nicht die Berufsfeuerwehren Berlin und Hamburg die letzten Jahre schon massiv Probleme sie Fristen einzuhalten, Konsequenzen?

    "Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek in der Halbzeit gesehen,.... er hat geweint."
    Karl-Heinz Rummenigge am Abend des 8. April 2009 in Barcelona

  • @Heros 22/51: Das stimmt, da gebe ich dir Recht, unsere andere Ortswehr hat nur noch (mein letzter Kenntnisstand) 23 Mitglieder bei Kdow, HLF, DLK, TLF 16/25, TSF-W und MTW, weswegen dort das TLF auch ersatzlos wegfallen wird. Und auch in vielen umliegenden Dorfwehren sind die Zahlen auch nicht viel besser. Und man kann sich ja ausrechnen, das pro Einsatz meist nur 50% zur Wache kommen.
    Man muss halt bei Berufsfeuerwehren auch anders sehen, Beispiel BF Bautzen (Stadt hat nur ca. 40.000 Einwohner):
    Dort fahren im Löschzug: HLF 20 (1/5), DLK 23/12 (0/1) und TLF 16/45w (0/1) | im Rüstzug HLF 20 (1/5) und RW (1/1) und bei Bedarf noch der Wachleiter mit Kdow, aber glaube nur tagsüber soweit ich weis.
    Selbst bei 100.000 Einwohnern kann es sein das ich aufgrund der Weite des Einsatzgebietes lieber zwei BF-Standorte vorhalte und dann dort halt
    Wache 1: ELW 1 (1/1), HLF 20 (1/3), DLK (1/1), TLF (1/1)
    Wache 2: HLF 20 (1/3), DLK (1/1)
    stehen, die könnten es sich dann nicht leisten beide HLF´s mit je 6 Funktionen zu besetzen.


    Klar kann man nicht alles nur auf die Einwohnerzahl auslegen, so kann auch eine kleine Stadt/Gemeinde viele Einsätze haben, beste Beispiel Feuerwehr Rust bei 4300 Einwohnern schon jetzt 188 Einsätze, wegen dem Freizeitpark oder auch andere kleine Wehren die auf die Autobahn fahren. Andersrum gibt es dann halt auch größere Städte die nur wenige Einsätze haben..
    Ist nur ein Ansatzpunkt.


    Deswegen erwähnte ich ja auch schonmal das in größeren Städten es eher Sinn macht mehrere kleine Standorte vorzuhalten als weniger zentrale Standorte, da aufgrund der Verkehrslage und evtl. nicht vorhandenen Privatwagen die Anfahrt schon deutlich länger braucht.
    Muss man immer am Einsatzgeschehen etc. fest machen und am Einsatzgebiet. Am Stadtrand kann dann schon wieder das "große" HLF 20 sinnvoller sein.

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    MFG Maxxam